Foto: John D. & Catherine T. MacArthur Foundation/CC
Als vor ein paar Monaten die Nachricht über die neuen Preisträger der MacArthur-Stiftung die Runde machte, habe ich neugierig die Liste der Menschen studiert, die mit dieser Auszeichnung als Genies ihres Fachs ausgerufen werden. Von den meisten hat man noch nie etwas gehört. Aber das ist Teil der Absicht. Der Preis rückt die Geehrten aus der anonymen Masse in den Vordergrund. Und zwar wirtschaftlich nachhaltig. Jeder der Preisträger erhält nämlich über die Zeit von fünf Jahren verteilt insgesamt 500.000 Dollar überwiesen. Davon können die oft ziemlich schlecht betuchten Künstler, Schriftsteller, Musiker, Denker, Akademiker eine Weile lang ziemlich gut und sorglos leben. Sie können sich Auszeiten nehmen und neuen Projekten widmen. Alles ohne den tagtäglichen Druck des Geldverdienenmüssens.
Trotz seiner positiven Seiten führt der „MacArthur“ ein selten kurioses Dasein. Man weiß von dieser Förderungseinrichtung. Aber sie fällt irgendwie hinter Nobelpreise und Pulitzerpreise und andere Awards leicht ab. Vermutlich liegt dieses Defizit nur daran, dass es keine Verleihungsshow im Fernsehen gibt. Die Empfänger werden nicht gleich auf Titelseiten hochgejubelt, sondern allenfalls Zug um Zug von der Journaille entdeckt. Meistens von der lokalen Journaille. Mit dem gebührenden Stolz auf den local hero. Ansonsten hat der „MacArthur“ so etwas wie Insider-Status.
Wie dem auch sei, ich habe im Oktober die neue Liste überflogen und bin dabei auf einen Mann gestoßen, dessen Kunst und dessen handwerkliche Besonderheit mich auf Anhieb fasziniert hat. Das liegt sicher auch an diesem abgebrochenen Musikwissenschaftsstudium, in dessen Rahmen ich mich einst seriös mit Dingen beschäftigt habe wie Partiturlesen oder mit dem Fach Akustik. Benoît Rolland, der Franzose in einem Vorort Boston, und seine Spezialität wirkte aus der Ferne wie ein Echo auf diese längst zugeschüttete Ambition, der klassischen Musik etwas Zerebrales abzugewinnen.
Monsieur Rolland, ein distinguierter und sehr informativer Gesprächspartner, war bereit, sehr viel mehr zu erzählen als eine bloße Einführung in sein Metier und die Einzelheiten seiner Biographie. Ich erfuhr zum Beispiel erst dort, dass er ein unglaublich innovativer Kopf ist, dessen jüngste Erfindung erst in den nächsten Monaten auf den Markt kommt. Das nennt man Timing. Oder auch einfach nur Glück. Aus dem Besuch in Watertown wurde so ein stimmungsvolles Radioporträt
und nun in dieser Woche auch ein Artikel in der sehr geschätzten Wochenzeitung Die Zeit.
Wie so oft mit Geschichten, in denen eine optische und akustische Dimension steckt, die man allein mit Worten nur schwer erklären kann, wäre es eigentlich angebracht, die Arbeit von Benoît Rolland filmisch umzusetzen. Aber nicht in den üblichen knappen Fernsehhäppchen, sondern ausführlich. Aber ehe ich mich an eine solche Aufgabe heranwage und das bisschen Glück aufs Spiel setze und mir dafür irgendwelchen Frust einhandle, weil am Ende ja fast nichts so klappt, wie man möchte, lasse ich lieber anderen den Vortritt. Jemandem wie Filmemacher Michael Sheridan etwa, der sein erstes Video zwar gepostet hat, aber leider das Einbetten nicht gestattet. Auch er könnte wohl nochmal etwas Unterstützung gebrauchen.
Im Radiobeitrag spielt Ann-Sophie Mutter das Adagio des Violinkonzerts Nummer 3 in G von Wolfgang Amadeus Mozart (Köchelverzeichnis 216). Es ist ein bezauberndes Werk und wirkt in dieser Aufnahme aus dem Jahr 2006 ungeheuer feinsinnig. Die Dame hat den Bogen raus.
Blick zurück: Über meine Boston-Reise und das Gefühl, als Multimedia-Mensch unterwegs zu sein, hatte ich im November hier im Blog ein wenig mehr geschrieben.
In Japan unterstützt der Staat wertvolle + traditionelle Handwerkskunst um sie vor dem Vergessen zu bewahren. Die MacArthur – Stiftung und ihr Tun erinnern mich ein wenig daran. Ich finde den Bericht sehr spannend, weil hier deutlich wird, wie viel Substanz (intellektuell + handwerklich) in solch verborgenen „Schätzen“ steckt.