An dritter Stelle

Der Chef von Ringier hat vor ein paar Tagen ein paar Grundsätze formuliert, die er klassischen Verlagsunternehmen anrät, die den Übergang von der Herstellung und dem Handel mit gedruckten Zeitungen und Zeitschriften auf neue digitale Plattformen und Angebote für Mobilgeräte schaffen wollen. Es waren fünf Kerngedanken, die das Wesentliche beschreiben. An dritter Stelle forderte er, „viel stärker auf Videoformate zu setzen als bisher“. Er scheint dies mit der iPad-Ausgabe der Zeitschrift Monopol aus seinem eigenen Verlagshaus derzeit noch zu unterstreichen.

Was man mit Video machen kann und wie beschränkt man derzeit als Zulieferer für diese Maxime arbeiten muss, wenn einem tatsächlich mal ein Auftrag beschert wird, dafür kann Marc Walder sicher nichts. Er kümmert sich nicht um Details. Also nicht um die Honorare. Und nicht um faire Taxameter für die Leute wie unsereins da draußen, die arbeiten, aber nicht aus purem Techno-Idealismus verhungern wollen.

So kommen in solchen General-Ansagen keine Überlegungen vor, was das finanziell bedeutet. Dass es Geld kostet, all das Equipment zu besitzen, das man braucht, um vernünfte Videos zu drehen. Und dass es sich um eine erhebliche Investition handelt, sich das handwerkliche Wissen anzueignen, um Videos zu drehen und zu schneiden. Dass dies nie angesprochen wird, könnte leicht den Eindruck erwecken, als seien also die inhaltlich wichtigsten Fragen rund um das Herstellen von Videos für Verlags-Digitalplattformen längst geklärt und abgehakt: Wer produziert das eigentlich alles unter welchen Bedingungen? Und wie kommt er bei seiner Arbeit auf ein ernstzunehmendes Qualitätsniveau?

Sind diese Fragen wirklich beantwortet? Ach was. Ganz und gar nicht. Die Professionalisierung der Journalisten in diesem Bereich findet nur dort statt, wo die Journalisten selbst dazu in der Lage sind. Ich riskiere mal eine Schätzung: Dabei handelt es sich bestenfalls um 10 Prozent aller Medienmenschen, deren bisheriges Betätigungsfeld hauptsächlich aus dem Schreiben von Texten bestand. Vermutlich sind es weniger.

Mit Schuld am – eindeutig falschen – Eindruck ist sicher, dass Milliarden von Videos im Internet herumgeistern. Und dass es mittlerweile zahllose professionelle Fotografen gibt, die im Rahmen ihrer alltäglichen Arbeit für Verlage zusätzlich zu den Fotos, die sie schießen, mit ihren videofähigen Kameras bewegte Bilder drehen. Das tun sie ungerne. Und kommen dabei auf ziemlich bescheidene Resultate. Aber sie tun es. Was bleibt ihnen denn auch anderes übrig?

Und so entstehen also Videos, irgendwie. Manchmal sind sogar ganz attraktive darunter. Aber leider produziert von Menschen ohne ein ausgebildetes Ohr für Ton und das gesprochene Wort. Also sieht sich vieles, was über diesen Transmissionsriemen entsteht, verflucht ähnlich. Es sind vorherrschend visuelle Eindrücke, ein Panoptikum einer ganz bestimmen Auffassung des Mediums. Mal geprägt von der Ästhetik von Musikvideos, die inzwischen auch nicht mehr das sind, was sie mal zu den besten Zeiten von MTV waren. Mal beeinflusst von einer kontemplativen Zuneigung zu leer geräumten Dokumentarfilm-Szenerien. Oft bevölkert von überkandidelten Talking Heads, die zwar nicht das Zeug zum Performer haben, aber es trotzdem riskieren, sich vor eine Kamera zu setzen.

Man kann sich fragen: Haben uns all diese Anstrengungen und Experimente wirklich weitergebracht?

Meine Antwort: Irgendwie schon, aber sicher nicht dahin, wo Videos dann tatsächlich jenen Stellenwert erhalten, den sich Verlagsmanager wie Marc Walder ausmalen, wenn sie tatsächlich „viel stärker auf Videoformate“ setzen wollen.

Ich drehe seit ein paar Jahren Videos und gehöre sicher nicht zu den Visionären und Innovatoren des Metiers. Ich finde bis heute die schlichte Herausforderung, eine sinnvolle Videoarbeit mit vernünftigen Interviewaussagen und originären visuellen Facetten auf die Beine zu stellen, schwer genug. Denn man arbeitet unter sehr heftigen Bedingungen: meistens ganz alleine, mit Engpässen und Handicaps, die man im Soloakt bewältigen muss. Ohne Kameramann und ohne Tonmann und ohne Beleuchter und ohne Cutter/Editor, die allesamt dem fertigen Produkt so viel kreatives Leben einhauchen könnten, wenn man sie denn einsetzen könnte. Und die es dem Reporter gestatten würden, sich hauptsächlich auf das zu konzentrieren, was die Gesprächspartner sagen und um welche Inhalte es gehen sollte. Dafür bräuchte man eher mehr Zeit und nicht weniger. Aber diese Zeit finanziert einem niemand.

Dieses Ansinnen hat nichts damit zu tun, dass man nach dem klassischen Zerrbild jener Zeit, als die E-Lok eingeführt wurde, noch gerne ein paar Heizer beschäftigen würde. Ich hätte gewiss gerne Fachleute zur Seite wie etwa die hervorragende Cutterin Sabine Krayenbühl, die mir vermutlich schon während der Produktion dieses Videos das gesagt hätte, was sie mir netterweise hinterweise schrieb: „Meine größte Kritik ist die Handhabung der Zwischen- und ID-Titel. Es ist zu busy und zu ablenkend von der Geschichte.“

Aber sollte das nicht möglich sein, solche Sachkompetenz einzubinden (weil die ja schließlich auch Geld kostet), gäbe es sicher andere Lösungen. Vorausgesetzt: die vielen Mittelspersonen in der Produktionskette ziehen mit.

Angesichts der Schwierigkeiten erlahmt jedoch zwischendurch leider schon mal das Interesse. Vor allem daran, Redaktionen immer und immer wieder anzuteasern und zu bedienen, wenn die am Ende sowieso nur wenig vom Entstehen solcher Produkte wissen. Und die sich am Ende lieber über Klickzahlen definieren wollen und nicht über inhaltliche und ästhetische Aussagen.

Weshalb ich mich bis auf weiteres auf die Position zurückziehe, dass jedes Video, das ich mache, aus meiner Sicht nicht die Aufgabe haben kann, Verlagen wirklich dabei behilflich zu sein, ihr Denken weiterzuentwickeln. Ich sortiere sie notgedrungen in die Abteilung „meine eigenen Lernschritte“ ein. Ich muss weiterkommen mit diesem Zeug. Egal, ob die potenziellen Auftraggeber ebenfalls weiterkommen oder nicht.

Es mag der Tag kommen, an dem ich sagen kann, wir haben es tatsächlich geschafft, das zu überwinden, was meistens wie Fernsehen für Arme aussieht. Dass wir dahin kommen und zeigen können, dass wir im Umgang mit Kamera und Mikrofon viel gelernt und viel kapiert haben – von den filmischen Mitteln und Notwendigkeiten, die wir ja – theoretisch – zur Verfügung haben. Aber der Tag ist noch nicht da. Ich hatte das Gefühl, ich war im Frühjahr ziemlich nahe dran und habe das in einem Blog-Text, der auch auf Carta publiziert wurde, zumindest angedeutet.

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Auch weil ich mit diesem Foto in dem Moment das Sinnbild dafür gefunden hatte: Alles alleine bewältigt. Alles alleine geschleppt. Alles alleine gedreht. Alles alleine musikalisch und mit Schriften angereichert. Alles alleine geschnitten. Ein Video, das bei YouTube inzwischen auf eine rechtschaffen ansehnliche Zahl von 5000 Klicks zusteuert.

Das wird das nächste Video übrigens nicht schaffen. Aber das macht nichts. Deshalb habe ich es nicht produziert. Es ist auch keine Arbeit für eine Redaktion in Deutschland oder der Schweiz, sondern für einen kleinen amerikanischen Verlag, der den hochtalentierten Schriftsteller Jim Herity publiziert hat, und dessen Buch – ein Roman-Debüt in den USA – immerhin bereits einen recht respektablen Preis gewonnen hat. Der Roman ist sehr lesenswert. Amazon sollte in der Lage sein, es über den Teich zu schippern.

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