Frauen am Steuer

Ende des letzten Jahres habe ich begonnen, ausführlich an einem Thema zu arbeiten, das mich schon eine ganze Weile beschäftigt und das angesichts der Frauenfußball-WM noch mal einen besonderen aktuellen Dreh erhalten hat. Es geht im weitesten Sinne um die Frage, wie Frauen im professionellen Sport von heute wirtschaftlich überleben wollen. Es geht aber auch um die Frage, in welchem Rahmen sich Frauen im Sport überhaupt auf Dauer definieren wollen. Wenn die hochgejazzte Fußballveranstaltung in Deutschland eines zeigt: dann, dass trotz aller Begeisterung für den Eventcharakter der Angelegenheit und die Chancen der deutschen Mannschaft, zum dritten Mal nacheinander Weltmeister zu werden, an einer Wahrheit nichts zur rütteln ist: Die Frauen liefern einen ziemlich dürftigen Kick. Es handelt sich um Sport zweiter Klasse.

Mit diesem Problem kämpfen Frauen auch in anderen Sportarten, aber nur im Automobilrennsport und beim Reiten versuchen sie dieser Feststellung durch eine eindeutige Herausforderung entgegenzutreten. In den USA konnten sich Frauen in der IndyCar-Serie inzwischen sogar auf ganz beachtliche Weise etablieren. Es reicht zwar noch nicht, um ständig ganze vorne mitzufahren und der einstigen reinen Männerdomäne den Dunst des Machohaften zu nehmen. Aber immer wieder blitzt bei den schnellsten Frauen wie der Amerikanerin Danica Patrick und der Schweizerin Simona de Silvestro zumindest etwas auf. Sie haben das Zeug dazu, die Männer zu schlagen.

Die Lage der Frauen und die historische Entwicklung bis an den heutigen Punkt, an dem Rennsponsoren mit sehr viel Wohlwollen Geld für weibliche Rennfahrer locker machen, habe ich sehr umfangreich in einer Sendung der Reihe Nachspiel für Deutschlandradio Kultur darstellen können. Die Sendung wurde Ende Mai am Tag der Indy 500 ausgestrahlt, die in diesem Jahr ihr hundertjähriges Jubiläum feiern konnten, Man kann sie leider nicht auf  der Seite des Senders nachhören. Vielleicht wird sie bei einer anderen Gelegenheit wiederholt.

Wie aktuell das Thema sein würde, konnte niemand ahnen. Aber eine Woche vorher erlitt Simona de Silvestro in Indianapolis einen schweren Unfall, bei dem sie gegen die Mauer prallte, sich überschlug und ihr Wagen Feuer fing. Sie erlitt schwere Brandverletzungen an den Händen und konnte in ihrem reparierten Auto nur wenig ausrichten. Die Bilder von dem Unfall und den Nachwehen konnte ich jedoch noch rechtzeitig in ein Video einbauen, das bereits fertig in der Redaktion der Schweizer Illustrierten vorlag. Für das Wochenmagazin hatte ich die eidgenössische Fahrerin zum ersten Mal bereits im Herbst 2010 bei eine Rennen in Homestead außerhalb von Miami getroffen. Die Geschichte lag in der Rennpause im Winter auf Eis, wurde aber durch den Unfall urplötzlich ganz akut. Sie erschien in der Woche nach dem Rennen in Indianapolis mit dem Video in der iPad-Ausgabe des Magazins.

Bei  dieser Produktion habe ich eine Reihe von Erfahrungen gesammelt, die jeden letzten Zweifel daran ausgeräumt haben, dass man in seiner Eigenschaft als schreibender Journalist einen Fehler macht, wenn man vor Ort nicht alle medialen Möglichkeiten nutzt, die sich einem bieten. Es zeigte sich zum Beispiel, dass es kein Problem war, ganz legal attraktives Bildmaterial von den Rennen und den Unfällen zu erhalten. Es zeigte sich aber auch einmal mehr, dass ein Video eine Dimension der porträtierten Person einfangen kann, die für ein Printmedium nun mal nicht realisieren werden kann. Die Interviews in Schweizerdeutsch vermitteln eine Form von Authentizität, die sich mit einem Text nicht erzeugen lässt.

Es ist keine leichtes Unterfangen, allein mit der Videoausrüstung vor Ort zu arbeiten und eine Leistung nach Hause zu bringen, für die eine  Fernsehproduktion drei Leute losschickt (einer für die Kamera, einer für den Ton und ein Reporter für den Bericht). Aber es hilft da kein Jammern und kein Klagen. Die Kunst besteht vor allem darin, für solche Aufnahmen möglichst viel Zeit vor Ort einzuplanen, um sich auf die vielen Eventualitäten einzustellen und trotzdem jeder Zeit bereit zu sein.

Dies ist das Resultat dieser mehrtägigen Arbeit, wozu auch in diesem Fall die Ausstattung des Videos mit Musiken aus meiner eigenen Produktion gehört:

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